Offensichtlich keine Hoffnung

Offensichtlich keine Hoffnung

Wir treffen am Einsatzort ein.
Wir werden von der Tochter empfangen.
Wir lesen aus ihren Augen.
Beinahe gleichzeitig treffen wir auf Sohn und Enkel.
Auch in ihren Augen lesen wir.
Endlich bei der Patientin versorgen wir sie
und lesen in ihren Augen.
Der endlich eingetroffenen Arzt untersucht die Patientin
und schreibt eine Einweisung in das Krankenhaus.
Wir lesen auch in seinen Augen.
Im Krankenhaus angekommen übergeben wir die Patientin.
Wir lesen in den Augen des Krankenhauspersonales.
Wir fahren wieder auf die Dienststelle.
Zwei Tage später hören wir was wir bereits in den Augen lasen.
Wieder ein Patient für den wir nichts mehr tun konnten.
– sanados

Der einsame Stuhl

Der einsame Stuhl

Ich sitze auf meinem Stuhl und warte.
Ich blicke zur Tür.
Schon so lange blicke ich zur Tür.
Auf was warte ich?
Wer soll durch diese Tür treten?
Oder soll ich durch diese Tür treten?
Warum warte ich überhaupt?
Dann stehe ich auf und gehe zu der Tür.
Ich warte wieder.
Vielleicht klingelt es ja.
Nichts.
Ich berühre die Türklinke.
Beinahe hätte ich die Tür geöffnet.
Doch niemand hat geklinget.
Ich drehe mich um und gehe zurück zu meinem Stuhl.
So sitze ich wieder auf meinem Stuhl und warte.
Ich werde nie wissen, ob jemals jemand vor dieser Tür gestanden hat.
– sanados

Liebe ist nicht Liebe

Wenn Du sagst das Du mich liebst,
schenke ich dem keine Beachtung.
Liebe ist nicht mehr Liebe.
Liebe ist nicht was es einmal war.
Wenn man etwas einen Namen gibt,
bedeutet das nicht das es auch so heisst.
Oder das es morgen noch so heisst.

Wenn du von Liebe sprichst,
so sprichst du von der Gegenwart.
Doch wenn ich in deine Augen sehe,
erzählen sie mir die Zukunft.
– sanados

Selektive Empfindungen

Selektive Empfindungen

Ich sehe Schnittwunden und denke mir nichts dabei.
Ich sehe Amputationen und es berührt mich nicht.
Schlaganfälle wurden Alltag.
Knochenbrüche Routine.
Tote ein notwendiges unvermeidbares Übel.
Darauf wurden wir trainiert.
Dafür wurden wir ausgebildet.
Doch sehe ich nur einmal das Du Kopfschmerzen hast.
Verliere ich mein Gleichgewicht.
Und es tut weh.
– sanados

Nimm meine Hand

Nimm meine Hand.

Wenn du meine Hand nimmst,
nimm sie um sie zu halten.
Wenn du meine Hand hältst,
dann halte sie um mich zu fühlen.
Wenn du mich fühlst,
dann fühle mich um mir nah zu sein.
Wenn du mir nah bist,
dann sei mir nah weil du es so willst.
Und wenn du dann meine Hand loslässt,
lasse sie los und sie wieder zu nehmen.
Wenn du meine Hand dann wieder nimmst,
nimm sie wieder um sie zu halten.
– sanados

Eine Hand weniger

Eine Hand weniger

Ich sehe die Hand noch.
Wie sie sich mir entgegenstreckt.
Wie sie verlangend nach mir greift.
Wie sie verzeifelt winkt.
Die Hand winkt nicht mehr.
Greift nirgendwo mehr hin.
Wurde wieder zurückgezogen.
Ich sehe die Hand nicht mehr.
Sie ist vollständig verdeckt.
Vollständig verdeckt durch das Feuer,
das im Auto loderte.
– sanados

An dich denken und glücklich s

An dich denken und glücklich sein.

An dich denken und glücklich sein.
Dein Foto sehen und glücklich sein.
Deine Stimme hören und glücklich sein.
Von dir träumen und glücklich sein.
Dann such ich nach dir neben mir.
Ich finde dich nicht.
Wie soll ich da glücklich sein?
Schmiege mich an meinen Polster.
Wie soll ich da glücklich sein?
Ich bin traurig.
Dann denke ich an dich.
Nun kann ich wieder glücklich sein.
Und ein warmes Gefühl breitet sich wieder in mir aus.
Es sagt mir das ich dich bald sehen werde.
Es sagt mir ich kann glücklich sein.
– sanados

Dringender Einsatz

Dringender Einsatz

Ich stehe vor dem Spiegel.
Ich sehe einen blutigen Handaufdruck auf meinem Hemd.
Und ich erinnere mich.
Noch einmal lebe ich den Notfall durch.
Als der Pager auf “dringend” losging.
Wie ich von der Leitstelle den Einsatzort bekam.
Und der Leitstellendisponent mir erklärte das es sich um einen Selbstmordversuch handelt.
Ich erinnere mich, wie wir in den Rettungswagen einstiegen.
Unter Folgeton und Blaulicht erreichten wir den Einsatzort.
Bereits beim Aussteigen vernahmen wir die Schreie der Patientin.
Dann weiß ich kaum noch etwas.
Wir wurden gut ausgebildet.
Instinktiv ergriffen wir erfolgreich lebensrettende Sofortmaßnahmen.
Auch die Fahrt ins Krankenhaus lief nach Schema ab.
Wir übergaben die Patientin in die helfenden Hände der Ärzte.
Dann sind wir wieder zurück auf die Dienststelle.
Und hier stehe ich nun vor den Spiegel und erinnere mich.
Erinnere mich an Ihre Schreie.
Es war immer nur ein Satz.
Ein Satz den sie immer wieder schrie.
Es waren bloß drei Worte.
Drei Worte die ihr soviel bedeuteten.
Sie schrie: “Laßt mich sterben!”
Ich denke …
Keine Zeit zu denken.
Weiterer dringender Einsatz.
– sanados

Was nennen wir Leben

Was nennen wir Leben?

Ist das was wir tun unser Leben?
Ist es ein Rückblick auf was wir getan haben?
Ist es der Weg zum Ziel?
Vielleicht ist es bestimmt durch die Summe von uns selbst?
Oder auch ein Spiegel unserer Möglichkeiten?
Ist es das Erleben unserer Umwelt?
Was nennen wir Leben?
Wir leben!
Brauchen wir eine Definition was Leben heißt?

– sanados

So viele Augenblicke

So viele Augenblicke.

Die Sonne verschwindet am Horizont.
Kaffe wurde verschüttet.
Menschen kommen und gehen.
Jemand schreit.
Ein junger Mann rutscht aus.
Ein kleines Kind weint.
Eine Managerin telefoniert.
Einige Leute essen.
Glühbirnen werden eingeschaltet.
Wolken formen neue Bilder.
So viele Augenblicke.
Und es ist noch kaum Zeit dieser Sekunde vergangen.
– sanados